Veränderte Wahrnehmung
„Das Wort Diversität war zwar vor zehn Jahren noch nicht in aller Munde, aber im Tun haben wir es durchaus schon gelebt“, erklärt Sylvia Schulz, Referentin Chancengerechtigkeit und Gleichstellungsbeauftragte bei der Kreissparkasse Köln. „So haben wir uns in den vergangenen Jahren verstärkt damit beschäftigt, wie wir mehr Frauen in Führungspositionen bringen und wie wir uns diverser aufstellen können. Dabei sind wir auf einem guten Weg.“ Auf die Frage, wie sich die Situation im Verlauf der Zeit verändert hat, erläutert Sylvia Schulz: „Ich glaube, dass mittlerweile mit dem Thema der eigenen sexuellen Ausrichtung bei uns im Haus selbstverständlicher umgegangen wird. Denn ich erlebe, dass auch Kolleginnen und Kollegen in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften sehr offen und selbstbewusst über ihre Lebensumstände sprechen.“ Doch wie stellt sich die Wahrnehmung für den eigenen Betrieb dar? „Kürzlich haben wir einen Externen auf unser Unternehmen schauen lassen. Danach musste ich leider feststellen, dass wir in Sachen Diversität doch nicht überall so gut aufgestellt sind, wie ich dachte.“ Nach einer Tour gemeinsam mit einem Rollstuhlfahrer durch das Firmengebäude zog Uwe Schöpe, Vorstand Personal und Arbeitsdirektor bei der Zurich Versicherung, eine nüchterne Bilanz. „Wir haben zu der Frage, ob wir behindertengerecht aufgestellt sind, schließlich das Fazit gezogen: theoretisch ja, praktisch aber nur eingeschränkt. Da gibt es eindeutig noch Optimierungspotenzial.“ Nun steht das Thema ganz oben auf der Tagesordnung der Zurich Versicherung. „Auch wir haben uns eine externe Beratung ins Haus geholt, um zu sehen, ob unsere Selbstwahrnehmung stimmt und wie wir uns weiter verbessern können“, sagt Dr. Marcus Richter, Partner bei GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB. „Wir sind durchaus weltoffen und gehen entsprechend an unsere Einstellungsprozesse heran, aber auch wir sind vor Fehlentscheidungen natürlich nicht gefeit.“ Die Kanzlei zählt in der Gesamt-Sozietät mehr Frauen als Männer und auf der Anwaltsebene liegt die Frauenquote um die 40 Prozent, jedoch auf der Partnerebene ist der Anteil an Partnerinnen deutlich geringer. „Für uns ist es - auch marktbedingt - schwierig, die Chancengerechtigkeit zu realisieren, die wir gerne sehen möchten. Wenn wir auf die Frauenquote schauen, hätten wir unsere Sozietät selbstverständlich gerne diverser, aber das lässt sich für uns nur bedingt beeinflussen“, erläutert Dr. Marcus Richter. „Wir bieten unter anderem mit Teilzeitmodellen, individuellen Coachings, Teilzeitpartnerschaft und Elternnetzwerk vieles an, um auf dem Karriereweg zu unterstützen, gleichwohl verlieren wir immer wieder sehr geschätzte Kolleginnen, vornehmlich in den öffentlichen Dienst.“ Ein eher niedriger Frauenanteil auf der Partnerebene kann bei alledem vermehrt Konsequenzen für die jeweilige Sozietät haben. Denn immer häufiger müssen Kanzleien bei der Bewerbung um Mandate Fragebögen ausfüllen, um den Grad ihrer Diversität zu belegen.
Wertschätzend handeln
Auf eine lange Tradition in der Integration unterschiedlicher Nationalitäten kann Ford zurückblicken. Denn der Automobilhersteller hat bereits Anfang der 60er-Jahre als eines der ersten Unternehmen in Deutschland Gastarbeiter in seiner Produktion beschäftigt. Derzeit arbeiten Menschen aus 80 Nationen im Unternehmen. Dazu plant das Unternehmen eine Erhebung, um zu erfahren, welche kulturellen Hintergründe die Belegschaft hat. „Divers und wertschätzend zu sein, gehört zur DNA von Ford. Dieser Anspruch ist bereits seit 1996 in unserer Unternehmensstrategie verankert.“, betont Volker Ehrentraut, Diversity Manager Deutschland der Ford Werke. Jedoch sieht er in der Automobilbranche, die immer noch als ‚männerlastig‘ gilt, Nachholbedarf in der Förderung von Frauen. „Der Frauenanteil im Top-Management soll bei uns global signifikant gesteigert werden. Darum kümmert sich Ford Europa Präsident Stuart Rowley nun persönlich. Alle weiblichen Führungskräfte auf den oberen Führungsebenen wurden ihm vorgestellt - mit all ihren Fähigkeiten und Aussichten. Das hat gewirkt und für eine Beim Runden Tisch von Kölner Stadt-Anzeiger und Kölnischer Rundschau tauschten sich Führungskräfte über den aktuellen Stand zum Thema „Diversity am Arbeitsplatz“ aus und schilderten ihre Aktivitäten, Vielfalt in ihren Unternehmen zu etablieren Diversität gewinnt an Bedeutung im Selbstverständnis von Unternehmen Claudia Wingens neue Sichtbarkeit gesorgt“, so Volker Ehrentraut. „Es ist aber klar, dass bei uns niemand nur aufgrund seines Geschlechts bevorzugt wird, sondern ausschlaggebend ist immer die Qualifikation.“
Vielfältige Facetten
Die Energieversorger RheinEnergie hat seit vergangenem Jahr erstmals einen paritätisch aus Männern und Frauen besetzten Vorstand. Darin dokumentiert sich nach Ansicht von Unternehmenssprecher Christoph Preuß auch, wie sich das lange als traditionell und technikgetrieben geltende Unternehmen gewandelt hat. Er selbst arbeitet in seinem Bereich mehrheitlich mit Frauen zusammen. „Bei uns gab es in der Vergangenheit mitunter Debatten über Frauenquoten, die sich über die Zeit erledigt haben. Denn einige Leute haben überrascht festgestellt, dass Frauen ihren Job oft besser können als Männer – mindestens aber ebenso gut.“ Doch Christoph Preuß möchte den Begriff Diversität nicht so eng fassen. „Wer über Diversität redet, denkt meist an das Geschlecht. Bei uns ist das nicht die einzige Facette, wir sehen auch die Herkunft, die Historie und die Sozialisierung“, erklärt der Unternehmenssprecher. „Was die handwerklichen oder industriellen Berufe angeht, können wir heute nicht mehr ohne den reichen Fundus an Zuwanderern leben. Auf diesem Weg kommt automatisch eine kulturelle Veränderung in die Unternehmen.“
Akzeptanz erhöhen
Als Schnittstelle zu Unternehmen, stellt sich die Frage, wie vielfältig die Agentur für Arbeit selbst aufgestellt ist. „Die Agentur für Arbeit wird diverser - wie viele andere Institutionen auch. Diversität in unserem Haus hilft dabei, die Kundenbedürfnisse – ob nun von Menschen, die vor einer Arbeitslosigkeit stehen oder von Unternehmen, die Fachkräftebedarf haben – noch besser zu verstehen“, betont Bernd Walgenbach. „Wir sind gerade dabei, für das Thema Schwerbehinderung zu sensibilisieren und man denkt, man ist ganz weit vorne damit. Aber Fakt ist, dass man noch nicht jeden damit erreicht hat.“ Weiter führt der Bereichsleiter für berufliche Rehabilitation und Teilhabe der Agentur für Arbeit Köln aus: „Wir stellen fest: Akzeptanz für dieses Themas entsteht sehr oft durch Begegnung mit Kolleginnen und Kollegen beispielsweise mit Schwerbehinderung. Und die ist dann meistens positiv. Mit Seminaren zur Sensibilisierung kommen wir da weiter und machen das ständig, weil unsere Belegschaft wächst und sich durch Fluktuation ständig wandelt.“ Auf die Frage, wie Menschen mit Behinderungen in ihrem Unternehmen wahrgenommen werden, berichtet Sylvia Schulz von einem Austausch mit einer Vertrauensperson der Behinderten in ihrem Unternehmen. „Das Gespräch hat mein Denken verändert“, betont die Gleichstellungsbeauftragte der Kreissparkasse Köln. „Denn es sind nicht immer nur Menschen im Rollstuhl oder Blinde, über die wir bei Behinderungen sprechen. Letztlich könnten wir alle einmal von einer schweren Erkrankung betroffen sein, die eine Behinderung verursacht.“ Daher geht Sylvia Schulz in den offenen Dialog mit der Belegschaft. „Das ist für mich auch ein Stück Arbeitnehmerbindung, wenn ich Betroffenen vermitteln kann, dass sie sich im Falle einer schweren Erkrankung an uns wenden können und Unterstützung erhalten. Somit wird auch die Attraktivität eines Unternehmens erhöht.“
Berufliche Teilhabe
Zur Gewinnung von Fachkräften für ihre IT-Abteilung hat die Zurich Versicherung vor kurzem einen ganz neuen Weg eingeschlagen. So wurde ein Vertrag mit dem Unternehmen Auticon geschlossen. „Das Konzept dabei ist, dass die Menschen mit Autismus bei ihrem Arbeitgeber angestellt bleiben und dort auch jemand Vertrauten an ihrer Seite haben, der sie individuell betreut“, erklärt Uwe Schöpe. „Das ist ein ganz pragmatischer Ansatz, der für diese Menschen wichtig ist und uns weiterbringt. Eine Win-Win-Situation für alle.“ Doch wie lassen sich generell mehr Menschen mit Behinderungen in „Lohn und Arbeit“ bringen? „Angesichts des Fachkräftebedarfs ist jedes Unternehmen gut beraten, diejenigen, die man vielleicht auf den ersten Blick übersieht, noch mal in den Fokus zu nehmen“, sagt Bernd Walgenbach. „Die Anstellung von Menschen mit Schwerbehinderung fördern wir vielfältig, über Qualifizierung, auch im Betrieb, Probebeschäftigungen, Einstellungszuschüsse oder individuelle Unterstützung am Arbeitsplatz. Wir haben viele gute Beispiele für interessierte Arbeitgeber.“
Eine lange Tradition in der Beschäftigung von Schwerbehinderten haben die Ford Werke. So verfügte das Unternehmen früher über eine sogenannte Versehrtenabteilung, wo rund 200 Mitarbeitende auf ihren Einsatz gewartet haben. Dieses Resort wurde mittlerweile aufgelöst und die Menschen mit Behinderung bekamen entsprechend ihrer Fähigkeiten einen festen Arbeitsplatz im Unternehmen. „Wir wollen allen Beschäftigten mit Einschränkungen weiterhin einen Job bieten, den sie gut ausüben können – in der Regel zu 100 Prozent“, erklärt Volker Ehrentraut. Dafür hat Ford eine Datenbank aufgebaut, die Profile vergleicht. Fehlt einem Mitarbeiter beispielsweise der rechte Arm, ermittelt die Datenbank alle Arbeitsplätze, für die nur der linke Arm gebraucht wird. Auch die Arbeitsplätze selbst werden mit eigens entwickelten Innovationen angepasst. So wurde Ford im vergangenen Jahr für die Entwicklung eines robotergestützten Arbeitsplatzes für einen schwerbehinderten Beschäftigten mit dem Inklusionspreis der Wirtschaft ausgezeichnet.
Vorgaben überdenken
In seiner Beratung von mittelständischen Unternehmen wird Dr. Marcus Richter oft ein anderer Blickwinkel auf die Beschäftigung von schwerbehinderten Mitarbeitern vermittelt. Angesichts der durchaus einforderten Gleichbehandlung von behinderten und nicht behinderten Menschen können manche die Sonderstellung nicht nachvollziehen. Dabei geht es den Unternehmern nicht nur um den höheren Kündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen, sondern auch um den fünf Tage höheren Urlaubsanspruch oder die durchaus kostenintensive Ausgestaltung des Arbeitsplatzes, der gegebenenfalls immer wieder angepasst werden muss. Ein Abbau dieser Besserstellungen gegenüber anderen Arbeitnehmern, könnte die Zurückhaltung bei der Einstellung schwerbehinderter Menschen aufbrechen. „Im aktuellen Modell zahlen manche Unternehmer dann lieber die Schwerbehindertenabgabe“, weiß Dr. Marcus Richter. „Wir entrichten sie zugegebener Maßen auch, aber nicht lieber, sondern mangels entsprechender Bewerberinnen und Bewerber.“
Sprachlich anpassen
Immer wieder entbrennen auch Diskussionen zur korrekten Schreibweise und einer angemessenen Sprache. „Heutzutage finde ich es selbstverständlich, gendersensibel zu sprechen“, sagt Sylvia Schulz. „Denn Sprache entwickelt sich weiter und wir bezeichnen eine weibliche Ordnungshüterin heute ganz natürlich als Polizistin.“ Aus der Sicht von Christoph Preuß ist das Problem anders gelagert. „Indem wir Sprache auf das Geschlecht reduzieren, begehen wir einen Kardinalfehler. Es geht nicht nur um das Geschlecht, sondern auch um Menschen mit kognitiven Einschränkungen oder unterschiedlicher Herkunft, die vielleicht Probleme mit unserer hochkomplexen Sprache haben“, erklärt der Unternehmenssprecher. „Daher ist der Begriff wertschätzende Sprache für mich weitaus wichtiger, und es ist erheblich anspruchsvoller, eine solche Sprache zu praktizieren, als der bloße Gebrauch von Genderzeichen.“ Christoph Preuß wies zum Abschluss der lebhaften Diskussion zu dem Thema noch darauf hin, dass es mit dem Rat für deutsche Rechtschreibung eine normensetzende Institution in Deutschland gibt, deren Vorgaben für öffentliche Institutionen verbindlich sind. Aktuell gibt der Rat für deutsche Rechtschreibung keine Genderzeichen vor – mit Verweis auf grammatische Probleme und erhöhte Schwierigkeiten beim Sprachverständnis. Claudia Wingens
Die Teilnehmer/-innen des runden Tisches
„Durch die Gründung der Diversity-Abteilung, schaffen wir verstärkt Anerkennung und Wertschätzung zum Thema Vielfalt und menschlichen Lebenslagen.“
Tanja Apholte, Inklusionsbeauftrage, DHL
„Wir handeln bei der Integration von Beschäftigen mit Einschränkungen möglichst nach dem doppelten ‚W‘-Prinzip – wertschätzend und wertschöpfend.“
Volker Ehrentraut, Diversity Manager Deutschland, Ford Werke
„Mittlerweile sehen wir Diversität in vielen Berufsbildern und versuchen, Menschen mit den unterschiedlichsten Bildungsniveaus zu integrieren.“
Christoph Preuß, Unternehmenssprecher, RheinEnergie
„Auch wir haben uns eine externe Beratung ins Haus geholt, um zu sehen, ob unsere Selbstwahrnehmung stimmt und wie wir uns weiter verbessern können.“
Dr. Marcus Richter, Partner, GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mb
„Mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen, ist ein sehr wichtiges Thema, aber Diversity hat natürlich weit mehr Facetten, die wir berücksichtigen müssen.“
Uwe Schöpe, Vorstand Personal & Arbeitsdirektor, Zurich Versicherung
„Ich wünsche mir, dass rein sprachlich bei jungen Frauen ankommt, dass sie auch ‚Vorständin‘ werden können.“
Sylvia Schulz, Referentin Chancengerechtigkeit/Gleichstellungsbeauftragte, Kreissparkasse Köln
„Angesichts des Fachkräftebedarfs ist jedes Unternehmen gut beraten, diejenigen, die man vielleicht auf den ersten Blick übersieht, noch mal in den Fokus zu nehmen.“
Bernd Walgenbach, Bereichsleiter für berufliche Rehabilitation und Teilhabe, Agentur für Arbeit Köln
"Indem wir Sprache auf das Geschlecht reduzieren, begehen wir einen Kardinalfehler"
"Letztlich könnten wir alle einmal von einer schweren Erkrankung betroffen sein"
"Akzeptanz für dieses Themas entsteht sehr oft durch Begegnung"
Der Runde Tisch
Der Runde Tisch ist eine Veranstaltung des Medienhauses DuMont Rheinland. Regelmäßig bitten „Kölner Stadt-Anzeiger“ und Kölnische Rundschau Spitzenvertreter verschiedener Wirtschaftszweige und Institutionen zum informellen Austausch. Die Gesprächsrunden finden zu überregionalen und lokalen Themen statt.