Wirtschaftlichkeit erreichen
„Wir haben bereits erfolgreiche Partnerschaften für die Kreislaufwirtschaft“, erklärt Dr. Schäfer. Als Beispiel führt er ein Modell in China an, wo gebrauchte große Wasserflaschen aus Kunststoff zurückgenommen und geschreddert werden. Anschließend lässt sich das Granulat zu neuen Produkten wie Laptop-Gehäusen verarbeiten. Neben diesem rein mechanischen Recycling setzt Covestro auch auf andere Verfahren und treibt vor allem die Forschung im chemischen Recycling voran. So werden beispielsweise in einer Pilotanlage Matratzen in ihre Molekül-Fragmente zerlegt, die als Rohstoffe für neuen Matratzen-Schaum genutzt werden können. „Auch wenn derzeit in dem Bereich ohne Ende Patente geschrieben werden, befinden wir uns in der Entwicklung erst ganz am Anfang. Ich glaube jedoch, dass chemisches Recycling eine ganz zentrale Lösung für die Kunststoffe der Zukunft sein wird.“ In seinem Unternehmen ist dabei in den vergangenen Jahren eine Erkenntnis gewachsen: „Allein schaffen wir das nicht. Das Problem ist nur: Wenn keiner anfängt, dann wird sich nichts verändern.“ Auf die Frage, inwieweit Wirtschaftlichkeit Ziel ihres Handelns ist, stellt Monika Lichtinghagen-Wirths klar: „Ich glaube, dass wir uns eine solche Frage nicht mehr leisten können. Das Ganze funktioniert nur in einem System, wo alle Komponenten vorhanden sind. Wenn aber eine davon ausfällt – wie in dem Fall die Rohstoffe – dann kann man die Frage so nicht mehr stellen. Denn wir sind ganz klar an unseren planetaren Grenzen angekommen. Daher müssen wir die Rohstoffe, bei denen wir an die Grenzen kommen, schlichtweg im Kreislauf führen.“ Ähnlich bewertet auch Dr. Ulrike Diederichs die derzeitige Situation. „Aus der Perspektive des Einzelnen, ist Kreislaufwirtschaft sicher teurer, aber wir haben keine Alternative“, findet die Expertin der AWB. „Ansonsten haben wir immer weniger Ressourcen und durch eine verschmutzte Umwelt keine Lebensgrundlage mehr. Dann fehlt uns saubere Luft zum Atmen oder Wasser in den Weltmeeren. Wir müssen eine Perspektive schaffen, die auch die Generationen nach uns berücksichtigt.“
Blickwinkel ändern
„Ein Umdenken und Umrechnen ist gefordert. Denn was wir jetzt verbauen, müssen wir in Zukunft wieder trennen können und heute bewerten können, anhand der Rohstoffe und Emissionen, die verbraucht werden“, erklärt die studierte Architektin Magdalena Zabek, Projektleiterin bei der Zukunftsagentur Rheinisches Revier. „Daher sollten wir schon jetzt vorbereiten, was wir später als Rohstoffquelle wieder nutzen möchten und gleichzeitig Produkte verwenden, die wenig oder kaum CO2 und natürliche Rohstoffe für ihre Produktion verbraucht haben.“ Dabei mahnt sie aber die Schadstoffe besonders im Blick zu behalten. „Wenn wir Schadstoffe verbauen, muss heute bereits einkalkuliert werden, dass wir sie A in der Zukunft nicht nutzen können und es B viel teurer wird, sie zu entsorgen.“ Doch welcher Aspekt ist derzeit eher im Fokus? „Beim recyclingfähigen Bauen steht der Wirtschaftlichkeitsgedanke nicht primär im Vordergrund“, sagt Magdalena Zabek. „Denn es ist vergleichsweise teurer, da die Prozessenoch nicht etabliert sind und in der breiten Masse angewendet werden. Daher steht dabei eher der ökologische Aspekt im Vordergrund.“ Auch auf den gesamten Prozess bezogen, teilt Andreas Freund, Sprecher der Geschäftsführung AVG Abfallentsorgungs- und Verwertungsgesellschaft Köln mbH, diese Bewertung. „Mit Ausnahme des Sammelns von Papier und Metall war Kreislaufwirtschaft oftmals noch nicht wirtschaftlich. Aber das war auch nie ihr Ziel. Im Mittelpunkt standen immer primär Ressourcen-, Klima- und Umweltschutz. Und daran orientiert sich bis heute alles.“ Doch wie kann Kreislaufwirtschaft erfolgreicher werden? „Damit wir mit den von uns erzeugten Sekundär-Rohstoffen im Vergleich zu den natürlichen Rohstoffen bestehen können, wäre es wünschenswert, wenn in diesem Segment stärker dirigistisch eingegriffen und über den Gesetzgeber Vorgaben gemacht würden“, sagt Andreas Freund. So könnte beispielsweise ein gewisser Anteil von Recyclaten vorgeschrieben werden, der in einem neuen Produkt enthalten sein muss. „Somit wäre der Einstieg in die Wirtschaftlichkeit gegeben. Die Grenzen sind bisher der politische Mut, weil Produkte natürlich zu Anfang teurer werden“, so Andreas Freund. „Davor schreckt man wohl noch zurück. Aber langsam kommt ein Umdenken – auch in der Gesetzgebung – wie das Beispiel des Kreislaufwirtschaftsgesetzes zeigt.“
Neue Ansätze
„Mit unserem digitalen Mehrwegsystem arbeiten wir daran, den Müll gar nicht erst entstehen zu lassen“, erklärt Sven Witthöft, Managing Director, VYTAL Global GmbH. Dabei bringt das im Jahr 2020 gegründete Unternehmen hochwertig hergestellte Behältnisse für Essen in ein zirkuläres Modell, wo pro Benutzung bezahlt wird. Der Konsument kann die Verpackung für Burger, Pizza und Co. dabei – wie beim car-sharing – nutzen und zahlt nur dann, wenn er sie nicht zurückbringt. „Wir versuchen den Konsumenten dazu zu bringen, dass er von Wegwerfprodukten auf Mehrwegprodukte umsteigt, in dem wir Mehrweg sehr bequem machen“, so Sven Witthöft. „Das Haupthindernis Mehrweg-Verpackungen zu nutzen, ist nicht der Mangel an Tupperschalen in Deutschland, sondern das sie nie da ist, wo man sie braucht. Daher sagen wir, die Verpackungen müssen schon im Laden warten, wo sie attraktiv präsentiert werden und von der Qualität höherwertiger sein müssen als Einweg.“
Zertifizierung für nachhaltiges Bauen
„Im Bausektor ist der Preis ein treibendes Element, weil die Margen so niedrig sind. Daher haben wir uns die Frage gestellt, wie Material überhaupt auf die Baustelle kommt und wie es wieder abgeführt wird“, erklärt Michael Lindner, Geschäftsführer von Remondis Wertstoff-Recycling. „Dies wird meist dezentral über Nachunternehmer geregelt. Mit Konzepten haben wir viele Bauherren überzeugt, in eine zentrale Planung zu investieren.“ Der wirtschaftliche Anreiz für Unternehmen ist eine mögliche Zertifizierung der Bauwerke durch die Gesellschaft für nachhaltiges Bauen, da die Entsorgung ein relevanter Bestandteil für die Auszeichnung ist. „Wer besonders auf Energieeffizienz mit äußerst geringen Schadstoff-Anteilen achtet und das Gebäude mit Blick auf Nachhaltigkeit aufsetzt, hat sicher erst einmal höhere Investitionen“, sagt Michael Lindner, der beobachtet hat, dass diese Form der Zertifizierung einen Markt für solche Anbieter geschaffen hat. „Es ist eine Frage der Opportunität, das eine bedingt das andere“, findet der Wertstoff-Experte. „Wenn man nicht den Mut gehabt hätte, einen Schritt nach vorne zu gehen, zu investieren und das Knowhow zu erlangen, um es dann skalieren zu können, dann würden wir in Deutschland wahrscheinlich immer noch das Material größtenteils deponieren.“ Gerade dies ist hierzulande nach Ansicht von Karl Georg Boje sowieso keine Option mehr. „Deutschland ist ein bevölkerungsreiches, aber flächenmäßig kleines Land. Daher haben wir einfach zu wenig Platz und unsere Deponien laufen voll“, erklärt der Geschäftsführer von Remondis Rheinland. „Gerade aus diesem Grund dürfen seit dem Jahr 2005 keine organischen oder energetisch hochwertigen Abfälle mehr in Deponien eingebracht werden und die Verbrennungsanlagen wurden Pflicht. Mit dieser Erhöhung der Entsorgungskosten wurde in Deutschland Kreislaufwirtschaft wirtschaftlich, weil die Trennung der Stoffe sich seither lohnt.“ Während Metall leicht durch Magneten zu sortieren ist, bereiten Kunststoffe jedoch größere Probleme. Dazu führt Magdalena Zabek an, dass aktuell Klinker mit einem stark bindenden Zementmörtel verbaut werden. „Wenn ein Handwerker kommt und alles schön mit Bauschaum verklebt, dann hält das zwar, aber das ist für uns in der Zukunft fatal“, so Magdalena Zabek. Als Bindung rät sie, wenn überhaupt, zu einem Kalkmörtel, der leichter zu entfernen ist. Eher sieht sie die Zukunft in mechanischen Verbindungen und nennt als Beispiel den traditionellen Holzbau mit seinen Steckverbindungen.
Neue Kommunikation
„Bei der circular economy sind wir als Entsorger nur ein Teil“, führt Monika Lichtinghagen-Wirths aus. „Um zirkuläre Wirtschaft überhaupt umsetzen zu können, muss sich der Hersteller nicht nur mit den Produktdesignern an einen Tisch setzen, sondern auch mit den Entsorgern. Gemeinsam sollte dann überlegt werden, wie das Produkt aussehen kann, damit es am Ende von uns Entsorgern auseinandergenommen und als Sekundärrohstoff wieder eingesetzt werden kann.“ Diesen Weg geht das Unternehmen von Dr. Schäfer bereits seit einigen Jahren. Jedoch mahnt er zur Eile: „Die Veränderung muss eher schneller als langsamer vorangehen. Denn vieles, was uns im Moment umgibt, ist nicht für Recycling designt – seien es Gebäude, Autos oder Kleidungsstücke.“
Sortenrein trennen
Warum ist angesichts der künftigen Herausforderungen die Nutzung der Biotonne in der Mehrzahl der Gemeinden nicht verpflichtend? „Ich sage immer, wir wollen den „Überzeugungstäter“ haben, der sich wirklich bewusst für die Biotonne entscheidet und darauf achtet, dass nur Bio- und Grünabfall hineinkommt“, sagt Andreas Freund. „Denn sobald zu viele Störstoffe vorhanden sind, muss der Kompost in die Verbrennung mit dem Restmüll gehen.“ Der Bioabfall wird sowohl energetisch zur Erzeugung von Biogas als Antriebsquelle für die Sammelfahrzeuge genutzt, als auch um hochwertigen Kompost zu erzeugen, der von der Bundesgütegemeinschaft zertifiziert wird. „Deshalb bin ich jemand, der gegen die Pflicht-Biotonne ist, aber sehr wohl für Aufklärung und Werbung, um diejenigen zu erreichen, die bewusst Bioabfall trennen wollen“, betont Andreas Freund. Doch wie wichtig ist das korrekte Trennen auch in den anderen Bereichen für die Entsorger? „Wenn ich an Yoghurtbecher denke, dann habe ich den eigentlichen Becher aus Plastik, einen Aluminiumdeckel und manchmal eine Papierbanderole, die aber nicht wie die beiden anderen Komponenten in die gelbe, sondern in die Papiertonne gehört“, erklärt Andreas Freund. „Möchte ich den Yoghurtbecher nun recyceln, macht dies nur Sinn, wenn ich die Materialien voneinander trenne. Das ist aber vielen Verbrauchern nicht bewusst, daher müssen wir noch viel Aufklärungsarbeit leisten.“ Manchem stellt sich dann aber auch die Frage, warum der Gesetzgeber nicht einfach vorschreibt, dass Produkte nur sortenrein hergestellt werden dürfen, damit sie später effektiv im Kreislauf gehalten werden können. „Der Gesetzgeber ist schon auf einem guten Weg, seitdem wir den ‚EU-green deal‘ haben“, findet Monika Lichtinghagen-Wirths. „Aber wir müssen in größeren Schritten vorangehen als mit einem Verbot von Trinkhalmen aus Plastik. Daher sitzen beim ‚runden Tisch Zirkuläre Wertschöpfung‘ das Wirtschafts- und Umweltministerium NRW immer mit am Tisch, damit sie die Erkenntnisse aus der Praxis in ihre Gesetze und Verordnungen mit aufnehmen können.“ Daraus ergibt sich für Dr. Ulrike Diederichs jedoch weiterer Handlungsbedarf: „Der Verbraucher sollte nicht nur über Gesetze und Verbote angesprochen werden, sondern verstehen, welche Wirkungen Produkte und Verpackungen haben. Ich sehe da eine große Aufgabe für uns.“ Claudia Wingens
Die Teilnehmer des runden Tisches
„Es funktioniert dann kreislaufwirtschaftlich, wenn die einzelnen Rohstoffe am Ende wieder leicht zu trennen sind.“
Karl Georg Boje, Geschäftsführer, Remondis Rheinland
„Nach Schätzungen der Europäischen Kommission werden durch die Kreislaufwirtschaft EU-weit 700.000 neue Arbeitsplätze entstehen.“
Dr. Ulrike Diederichs, Bereichsleiterin Vertrieb, IT, Marketing & Digitalisierung AWB Abfallwirtschaftsbetriebe Köln GmbH
„Kreislaufwirtschaft kann beispielsweise durch innovative Sortiertechniken langfristig zu einer höheren Wirtschaftlichkeit gelangen.“
Andreas Freund, Sprecher der Geschäftsführung AVG Abfallentsorgungs- und Verwertungsgesellschaft Köln mbH
„Wir müssen alle Möglichkeiten nutzen, um unsere Informationen weitestmöglich zu verbreiten. Es ist ein harter Weg, aber wir müssen ihn gehen.“
Monika Lichtinghagen-Wirths, Geschäftsführerin Bergischer Abfallwirtschaftsverband und Projektleitung :metabolon
„Mit Konzepten haben wir viele Bauherren überzeugt, in eine zentrale Planung zu investieren.“
Michael Lindner, Geschäftsführer, Remondis Wertstoff-Recycling
„Da ist unheimlich viel Bewegung in dem ganzen System, und ich bin absolut überzeugt, dass die Kreislaufwirtschaft langfristig ein Erfolg wird.“
Dr. Klaus Schäfer, Vorstand für Technologie, Covestro AG
„Auf die Frage, wie oft die Schalen benutzt werden können, antworten wir 200-mal oder ein Steakmesser. Denn das Verkratzen ist eines der Hauptprobleme.“
Sven Witthöft, Managing Director, VYTAL Global GmbH
„Wenn wir Schadstoffe verbauen, muss heute bereits einkalkuliert werden, dass wir sie A in der Zukunft nicht nutzen können und es B viel teurer wird, sie zu entsorgen.“
Magdalena Zabek, Projektleiterin, Zukunftsagentur Rheinisches Revier
„Wir sprechen viel über Recycling, aber Circular Economy ist ja mehr als das“
"Zirkularität hat für uns eine zunehmende Bedeutung“
"Die Grenzen sind bisher der politische Mut"
Der Runde Tisch
Der „Runde Tisch“ ist eine Veranstaltung des Medienhauses DuMont Rheinland. Regelmäßig bitten „Kölner Stadt-Anzeiger“ und Kölnische Rundschau Spitzenvertreter verschiedener Wirtschaftszweige und Institutionen zum informellen Austausch. Die Gesprächsrunden finden zu überregionalen und lokalen Themen statt.