Eines der zentralen Elemente im deutschen Erbrecht ist der Pflichtteil. Was verbirgt sich hinter dem Begriff, und wie können Pflichtteilsberechtigte ihren Anspruch darauf durchsetzen?
Was ist der Pflichtteil?
Der Pflichtteil ist ein gesetzlich verankerter Anspruch auf einen Teil des Erbes, der bestimmten nahen Verwandten zusteht, auch wenn sie im Testament des Verstorbenen nicht bedacht wurden. Ziel dieser Regelung ist es, sicherzustellen, dass enge Familienangehörige auch bei Enterbung einen angemessenen Anteil am Nachlass erhalten. Der Pflichtteil steht nur nahen Angehörigen zu und beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, den der Berechtigte erhalten würde, wenn er nicht enterbt worden wäre.
Wer hat einen Anspruch?
Zu den Pflichtteilsberechtigten gehören in erster Linie die Kinder des Verstorbenen. Auch der Ehegatte hat unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf den Pflichtteil. Eltern sind nur dann pflichtteilsberechtigt, wenn keine Kinder vorhanden sind. Es ist wichtig, zu beachten, dass der Pflichtteil nicht nur im Falle einer Enterbung relevant ist. Auch wenn im Testament eine geringere Erbquote für einen pflichtteilsberechtigten Erben festgelegt wird, kann dieser den Pflichtteil geltend machen. Der Pflichtteilsanspruch des Ehegatten unterscheidet sich in einigen Aspekten von dem der Kinder. Es bestehen für den Ehegatten auch teils weitergehende Ansprüche zum Zwecke der Geltendmachung. Leben die Eheleute im gesetzlichen Güterstand beträgt die Erbquote des Ehegatten entgegen weitläufiger Meinung - ein Vierteil; der Pflichtteil beträgt also ein Achtel. Zusätzlich erhält der Ehegatte ein Vierteil pauschalisierter Zugewinnausgleich. Dabei kann eine so genannte taktische Ausschlagung angezeigt sein, um die Teilhabe am Erbe zu erhöhen. In solchen Fällen kann neben dem Pflichtteil ein konkret zu berechnender Zugewinnausgleichsanspruch geltend machen werden.
Den Anspruch durchsetzen
Die Geltendmachung des Pflicht teils ist an bestimmte Fristen gebunden. Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre ab dem Zeitpunkt, zu dem der Berechtigte Kenntnis von der Enterbung oder der geringeren Erbquote erlangt. Es ist daher ratsam, sich frühzeitig über die eigene erbrechtliche Situation zu informieren. Der erste Schritt zur Durchsetzung des Pflichtteils ist die schriftliche Geltendmachung beim Erben. Hierbei müssen formale Regeln eingehalten werden, da nur hierdurch gewährleistet ist, dass der Anspruch richtig geltend gemacht wird. Nur in diesem Falle sind auf den Pflichtteilsanspruch dann auch mit Ablauf einer zu setzenden Frist Zinsen zu zahlen. Zunächst muss sich der Pflichtteilsberechtigte Kenntnis vom Nachlass verschaffen. Daher muss der Erbe zunächst über den Nachlass Auskunft erteilen, indem er ein Nachlassverzeichnis vorlegt, welches alle Aktiva und Passiva enthält. Der Berechtigte kann auch verlangen, dass dieses Verzeichnis von einem Notar aufgenommen wird. Dieser muss dann Ermittlungen anstellen und beispielsweise die Kontoauszüge mindestens der letzten 10 Jahre sichten. Zusätzlich kann verlangt werden, dass der Erbe auf Kosten des Nachlasses ein Sachverständigengutachten zu Immobilien oder werthaltigen Gegenständen vorlegt. Erteilt der Erbe die Auskunft nur unzureichend oder zahlt er den Pflichtteil nicht, ist die Erhebung einer Pflichtteilsklage vor dem zuständigen Gericht notwendig.
Verzicht und Reduzierung
Will ein Erblasser sicherstellen, dass der Pflicht teil nicht geltend gemacht wird, muss ein Pflichtteilsverzichtsvertrag (zwingend) bei einem Notar beurkundet werden. Viele Angehörige sind hierzu aber nicht bereit. In diesen Fällen kann durch frühzeitige Maßnahmen - wie beispielsweise lebzeitige Übertragungen von Immobilien oder Schenkungen - gestaltend eingegriffen und hierdurch der Pflichtteil so weit wie möglich reduziert werden. Hierzu ist die Beratung durch einen Fachanwalt für Erbrecht sinnvoll, damit alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden.
Fazit: Rat eines Experten einholen
Der Pflichtteil ist ein wichtiger Bestandteil des deutschen Erbrechts, der dazu dient, die Ansprüche naher Verwandter zu schützen. Auch wenn die Enterbung oder die Festlegung einer geringeren Erbquote im Testament schmerzhaft sein kann, bietet der Pflichtteil eine rechtliche Grundlage, um dennoch einen angemessenen Anteil am Nachlass zu erhalten.
Ralf Alexander Muhs
Fachanwalt für Erbrecht
Fachkanzlei für Erbrecht
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