Fast jeder stellt sich im Laufe seines Lebens die Frage, ob für ihn die Erstellung einer letztwilligen Verfügung, also eines Testaments, sinnvoll oder notwendig ist. Häufig übersehen wird jedoch die Möglichkeit, auch Teile des Vermögens bereits zu Lebzeiten auf die Erben zu übertragen. Man spricht hierbei von einer vorweggenommenen Erbfolge.
Vorweggenommene Erbfolge
Vorteile einer vorweggenommenen Erbfolge gegenüber einer Vererbung erst nach Eintritt des Todes auf Grundlage einer letztwilligen Verfügung von Todes wegen können zum Beispiel sein:
1. Vermeidung von Erbschaftssteuern: Die vorweggenommene Erbfolge ist in der Regel steuerlich vorteilhafter als die späteren Vermögensübertragungen per Testament, weil man im Wege der vorweggenommenen Erbfolge die steuerlichen Freibeträge, die alle zehn Jahre wieder neu anfallen, zumindest dann mehrfach ausschöpfen kann, wenn man tatsächlich zeitig mit der lebzeitigen Übertragung des Vermögens auf die Erben beginnt.
2. Vermeidung von Streitigkeiten: Darüber hinaus können in manchen Fällen durch die frühzeitige Planung potenzielle Erbstreitigkeiten innerhalb der Familie verhindert werden, da die Entscheidungen bereits zu Lebzeiten transparent getroffen, erläutert und diskutiert werden können. Wenn dann der Erbfall eintritt, gibt es für die Erben keine unangenehmen Überraschungen.
3. Größere Flexibilität: Die vorweggenommene Erbfolge ermöglicht es dem Erblasser, Vermögenswerte nach seinen Wünschen zu verteilen, ohne hierbei den gesetzlichen Einschränkungen eines Testaments zu unterliegen.
4. Schnellere Verfügbarkeit: Die Erben erhalten Vermögenswerte sofort, ohne auf den Tod des Erblassers warten zu müssen. Möchte der Erblasser beispielsweise eines seiner Kinder bei dem Bau des Eigenheims finanziell unterstützen, ist es unter Umständen sinnvoll, dies im Wege der vorweggenommenen Erbfolge zu tun.
Nachteile abwägen, Rat einholen
Bei allen Vorteilen der vorweggenommenen Erbfolge darf man selbstverständlich die Nachteile nicht aus dem Blick verlieren. Die Kehrseite der Flexibilität in der Gestaltung liegt beispielsweise darin, dass der Erblasser Teile seines Vermögens weggibt, ohne zu wissen, ob er diese in seinem Leben vielleicht doch noch selbst benötigen wird. Auch ist ungewiss, wie sich das Verhältnis des Erblassers zu den von ihm Begünstigten im weiteren Leben darstellt. Durch die lebzeitige Diskussion über Vermögenswerte können Missverständnisse oder Konflikte in der Familie entstehen. Viele Risiken und Nachteile können jedoch durch eine vorausschauende und professionelle Gestaltung von vornherein vermieden werden. Die vorweggenommene Erbfolge und die Erstellung einer Verfügung von Todes wegen schließen sich selbstverständlich nicht gegenseitig aus. Im Gegenteil kann es häufig sinnvoll sein, diese miteinander zu kombinieren, insbesondere dann, wenn man als Erblasser nicht beabsichtigt, sein gesamtes Vermögen zu Lebzeiten wegzugeben. Die Vorweggenommene Erbfolge muss sorgfältig geprüft, die Vor- und Nachteile abgewogen, und rechtlich abgesichert werden. Es empfiehlt sich daher hierzu den Rat eines Fachanwalts für Erbrecht einzuholen.
Ralf Alexander Muhs
Fachanwalt für Erbrecht
Fachanwalt für Familienrecht
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