Der Krisenmodus wird zum Normalzustand, die e Zinsen steigen - und werden von der Inflation locker in den Schatten gestellt. In diesen Zeiten haben ,,Kölner Stadt-Anzeiger“ und „Kölnische s Rundschau" Finanz-Expertinnen und -Experten U führender Banken und Sparkassen aus der Region zum Runden Tisch eingeladen. Tim Bartsch, e Marktgebietsleitung Privatkunden Köln-West der Deutschen Bank, Frank Dabringhausen, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Volksbank Oberberg eG, Hans-Guido Dörrenberg, Generalbevollmächtigter der Sparkasse KölnBonn, Hans-Jürgen Lembicz, Sprecher des Vorstandes der Volksbank Euskirchen eG, Jürgen Neutgens Mitglied des Vorstandes der Volksbank Köln Bonn eG, Hermann-Josef Simonis, Mitglied des Vorstandes der Sparda-Bank West eG, Kamil Torres, Leiter der Niederlassung Köln der Braunschweiger Privatbank, Frank Wagner, Leiter Wealth Management/Niederlassung Köln der Commerzbank AG, s und Jutta Weidenfeller, Mitglied des Vorstands der U Kreissparkasse Köln, folgten der Einladung ins 1 Excelsior Hotel Ernst. Den Runden Tisch moderierten Dr. Raimund Neuß, Mitglied der Chefredaktion 1 der ,,Kölnischen Rundschau", und Thorsten Breitkopf, Leiter der Wirtschaftsredaktion des „Kölner g Stadt-Anzeiger".
Sparer oder Aktionäre?
Traditionell gelten die Deutschen eher als ein Volk der Sparer als ein Volk der Aktionäre, sondern ein Volk der Sparer. In den vergangenen Jahren schien sich das zu ändern. Doch inzwischen löst nicht mehr die eine Krise die andere ab: Die Krisen gehen längst parallel zueinander weiter. Haben die Menschen daher das Vertrauen in die Börsen schon wieder verloren? Davon will der Runde Tisch nicht sprechen. ,,Ein klares Nein" äußert dazu etwa Jürgen Neutgens. Zwar sei der Zins wieder da, natürlich bestünden auch Unsicherheiten. ,,Deswegen sucht der deutsche Sparer wieder gerne das Zinsprodukt. Aber zu einer strukturierten Vermögensanlage gehört unverändert auch die Aktie dazu." ,,Wer allein auf Zinsanlagen setzt, wird angesichts der weiterhin hohen Inflation einen Realwertverlust nicht vermeiden", sagt Jutta Weidenfeller.
>> Am Ende wird sich Qualität immer durchsetzen
Hans-Jürgen Lembicz empfiehlt eine Streuung des Vermögens- und formuliert etwas drastischer: „Die Alternative wäre zu sagen: Weil es Unsicherheiten gibt, horte ich mein Geld und lasse es lieber durch die Inflation vernichten. Hermann-Josef Simonis beschreibt ein psychologisches Phänomen: Legten Leute ihr Geld für vier Jahre fest an, etwa in einem Sparbrief, ,,dann gucken sie vier Jahre lang nicht hin. Legen sie Geld aber in Aktien an, dann beobachten sie die Kurse jeden Tag - statt dem Ganzen etwas Zeit zu geben." Die Kunden seien oft zu nervös. „Und das hat wenig damit zu tun, wie viel Finanzwissen sie haben." Kamil Torres hingegen stellt fest, die vielen Krisen (erst die Verwerfungen durch Brexit, Trump-Wahl und Wachstumsschock in China, ,,dann kamen Corona und der Ukraine-Krieg") hätten die Resilienz unter Anlegern deutlich wachsen lassen. Deswegen verließen sie die Märkte auch nicht. Seine Kundinnen und Kunden wüssten, „dass neben überraschenden Abwärtsbewegungen auch bedeutende Aufholbewegungen Teil des Marktes sind und wiederholt Chancen bieten. Am Ende wird sich Qualität immer durchsetzen." Hans-Guido Dörrenberg findet, dass Bankkundinnen und -kunden heute viel besser informiert würden - und deswegen auch ein Stück weit entspannter" sein könnten: „Weil sie in einer Krise nicht mehr auf dem falschen Fuß erwischt werden können."
Gewisse positive Neugier
Wie steht eigentlich die junge Generation der Geldanlage gegenüber? Bei Online-Anbietern findet ,,kein Dialog mehr mit einem Bänker statt, der möglicherweise als Sparringspartner und Berater fungiert", beobachtet Frank Wagner. Und doch sieht er es als gutes Zeichen, dass junge Menschen sich dem Feld erst einmal auf eigene Faust nähern: ,,Da ist eine gewisse positive Neugier vorhanden." Nach Frank Dabringhausens Erfahrung interessierten sich die jüngeren Kundinnen und Kunden vermehrt für Aktien, Aktienfonds und ETFs, also börsengehandelte Indexfonds, die die Wertentwicklung bekannter Marktindizes eins zu eins abbilden. In solchen Anlagen sei ,,mit Blick auf das Kursgeschehen und Chancen-Risiko-Profil mehr Bewegung" - das sei für junge Menschen in Teilen spannender als vermeintlich klassische konservative Anlageformen". Zu ETFs im Allgemeinen sagt Tim Bartsch: ,,Sie sind nicht immer der Weisheit letzter Schluss. Aber ETFs haben ihre Berechtigung, gewisse Felder abzudecken oder eine kostengünstige Anlagestrategie abzubilden. Auf der anderen Seite: Auch ein aktiv gemanagter Fonds hat seine Vorteile." Das gewachsene Interesse junger Menschen am Thema Kapitalmarkt begrüßt auch er. Etwa über die Social-Media-Kanäle näherten sie sich der Geldanlage oft spielerisch. „Aber irgendwann haben viele höhere Beträge zur Verfügung und dann wollen sie auch eine professionelle Beratung."
Erklären, was Zinsen sind
Beratung ist von zentraler Bedeutung: Zum Ende der Nullzinsphase, sagt Hans-Guido Dörrenberg, ,,müssen wir den jungen Kundinnen und Kunden erst mal wieder erklären, was Zinsen sind und wie der Zusammenhang von steigenden Zinsen und der Entwicklung am Aktienmarkt ist. Die heutigen Berufseinsteiger kennen keinen Zins." Und Jutta Weidenfeller ergänzt: ,,Auch für unsere jüngeren Mitarbeitenden bedeutet die Zinswende eine Situation, die sie aus der Praxis bislang nicht kannten. Den Privatkunden festverzinsliche Wertpapiere und Stückzinsen zu erklären, das war in den letzten Jahren in der Beratung im Grunde kaum gefragt.
Nachhaltig aus Eigeninteresse
Ein Thema, das in keinem Zusammenhang mehr außen vor gelassen wird, ist die Nachhaltigkeit. Auch in der Finanzwelt sei das Interesse dafür ,,sehr echt", sagt Hans-Guido Dörrenberg - schon aus Eigeninteresse: Viele Privatkunden, aber auch große institutionelle Kunden suchten sich ihre Bank inzwischen danach aus, wie nachhaltig sie arbeitet. ,,Zudem bestehen Öffentlichkeit, Ratingagenturen und auch die Bankenaufsicht mehr denn je auf Überprüfbarkeit unserer Angaben, da könnten wir uns Schönfärberei erst recht nicht erlauben." Das Thema spricht nicht nur junge Menschen an, hat Hermann-Josef Simonis festgestellt: ,,Auch ältere Geldanleger sind empfänglich für zertifizierte Nachhaltigkeit." Seit August 2022 muss bei der Anlageberatung gefragt werden, ob der Kunde sein Geld nachhaltig investieren will. Ältere Anleger kämen nicht unbedingt von sich aus auf das Thema zu sprechen, so Simonis. ,,Sie kommen zwar nicht als Überzeugungstäter rein. Aber wenn man dann zur Nachhaltigkeitspräferenzabfrage kommt, gibt es viele, die sagen: Ich unterstütze das."
Flut und Klimakrise
Gibt es Unterschiede in der Sensibilität für Themen der Nachhaltigkeit je nachdem, ob man urban lebt oder im ländlichen Raum? ,,Bei uns gibt es da keinen Unterschied zwischen Stadt und Land", sagt Tim Bartsch. Und Frank Dabringhausen aus Oberberg sagt, auch bei ihnen sei die Klimakrise spürbar: ,,Und zwar im Waldsterben: Da ist der Borkenkäfer, da sind die Dürreperioden im Sommer." Von einer besonderen Situation berichtet Hans-Jürgen Lembicz aus Euskirchen: Die Region war heftig betroffen vom Hochwasser vor zwei Jahren. „Die Leute bringen die Flut und die Klimakrise in Verbindung mit der Nachhaltigkeit." Und längst nicht nur die Jüngeren sagen: „So etwas darf nicht mehr passieren.“ Er findet es wichtig, dass Banken, besonders die regionalen, in solchen Zusammenhängen als Sparringspartner zur Verfügung stehen: „Wir können sensibilisieren und Tipps geben, entscheiden muss dann der Kunde." Auch Tim Bartsch plädiert dafür, Banken sollten die Menschen bei der grüne Transformation begleiten: „Denn es gibt noch viel Unwissenheit." Lembicz berichtet davon, dass seine Bank zum Beispiel gerade ihre Kreditberater weiterbildet zu Fachleuten für Modernisierung: ,,Die haben künftig das Thema energetische Sanierung und Fördermittel drauf." Direkt- und Online-Banken könnten da nicht mithalten. In diesem Sinne könne die Nachhaltigkeit ,,eine Chance sein für uns alle".
Rieseninvestitionen notwendig
Auch noch ganz andere Chancen scheinen sich auf dem Weg zur Energiewende zu bieten. Viele Menschen, so formuliert es Frank Wagner, hätten erst einmal gedacht, ,,dass Nachhaltigkeit eher ein moralischer Faktor ist". Inzwischen hat sich herausgestellt: „Für die grüne Transformation sind Rieseninvestitionen notwendig". Man braucht Geld, um Windparks und ähnliche Einrichtungen zu bauen. „Mit grünen Kapitalanlagen wird Geld verdient. Und deshalb schließen Nachhaltigkeit und Rendite sich auch nicht aus." Was aber gilt als nachhaltig - und was nicht? Diese Frage stellt sich nicht nur im Zusammenhang mit Strom aus dem Atomkraftwerk. ,,Ob sich die Einstellung zur Nachhaltigkeit in den vergangenen 14 Monaten verändert hat? Ja, sie hat sich deutlich verändert. Die Diskussion ist eine ganz andere geworden", sagt Jürgen Neutgens über die Entwicklungen seit Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine. Und schon vorher war Bewegung drin: „Das Spektrum von Nachhaltigkeit ist sehr groß geworden", sagt Frank Dabringhausen. Viele hätten anfangs nur an Umweltschutz gedacht, dann seien Soziales und Governance-Themen, also die Frage nach der Unternehmensführung, dazugekommen. Manifestiert in den Standards nachhaltiger Anlagen: Die Buchstaben ESG stehen eben für E wie Environment, S wie Soziales und G wie Governance. ,,Die Rüstungsindustrie und fossile Brennstoffe waren im Mainstream bisher nicht als nachhaltig eingestuft. Jetzt werden Rüstungs-ETFs aufgelegt und die Diskussion über zukunftsfähige Energiegewinnung reißt nicht ab."
>> Die Diskussion ist eine ganz andere geworden
Mit Puffer geprüft
Die gestiegenen Bankzinsen sorgen bei vielen nicht nur für Sorgenfalten, weil sie von der Inflation mehr als aufgefressen werden. Besonders betroffen sind alle, die einen Kredit abzuzahlen, etwa Häuslebauer. Stichwort Anschlussfinanzierung: Läuft die im Vertrag vorgesehene Zinsbindungsfrist aus, wird ein neuer Kreditzins vereinbart. Und der könnte bei dem derzeit hohen Zinsniveau entsprechend hoch ausfallen. Das kann den Traum vom Eigenheim platzen lassen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Runden Tisches allerdings wussten von solchen Fällen nicht zu berichten. ,,Gerade in einer günstigen Zinssituation haben wir immer zu einer längerfristigen Zinssicherung geraten", sagt etwa Tim Bartsch. „Und wir haben die Finanzierung immer mit Puffer geprüft." Hans-Jürgen Lembicz berichtet, sein Haus habe in den vergangenen Jahren „bei jeder Finanzierung auf gewisse Eigenmittel bestanden – und darauf, eine recht hohe Tilgung einzubauen. Daher haben wir jetzt etwas Luft." Daher sei es nach wie vor so: „Wenn es zu Problemen oder sogar Versteigerungen kommt, dann oft wegen einer Scheidung."
Persönliche Beratung hilft
Jutta Weidenfeller geht davon aus, dass Kundinnen und Kunden, deren zehnjährige Zinsbindung jetzt ausläuft, wohl kaum in finanzielle Schwierigkeiten geraten werden: ,,Sie dürften ihre Anschlussfinanzierung nahezu zu den gleichen Zinssätzen abschließen können." Für diejenigen allerdings, die „mitten in oder zum Ende der Niedrigzinsphase einen Kredit aufgenommen haben und deren Zinsbindung erst in fünf Jahren oder später ausläuft", könnte es durchaus ,,herausfordernd" werden. Hans-Guido Dörrenberg weist darauf hin, dass insbesondere eine Kombination aus verschiedenen Faktoren zu Problemen führen könnte: Wenn etwa zu steigenden Zinsen steigende Lebenshaltungskosten kommen und dann noch unerwartete Investitionen in die - inzwischen schon etwas ältere - Immobilie fällig werden. ,,Da dürfte viel Gesprächsbedarf bei der Anschlussfinanzierung entstehen", so seine Prognose.
Dann sei es gut, wenn man Fragen persönlich klären kann - ob telefonisch oder bei einer Beratung vor Ort. ,,So können dann auch bei schwierigen Konstellationen meist gute Lösungen gefunden werden." Hermann-Josef Simonis zeigt sich noch optimistischer: „Viele Kunden machen sich Gedanken, manche haben auch Angst. Aber objektiv betrachtet ist das in den allermeisten Fällen unnötig."
Ansprüche senken
Erst einmal schwarz sieht Jürgen Neutgens allerdings für die kommende Generation von Bauherrinnen und Bauherren: ,,Heute kann sich kaum noch jemand die eigene Immobilie leisten. Der Traum vom Eigenheim ist für viele vielleicht nicht geplatzt, er hat sich aber zumindest stark verschoben." Weil gleichzeitig kaum neuer Wohnraum nachkomme, würden die Mieten steigen, gerade in den Städten. Hans-Jürgen Lembicz sagt voraus, man müsse sich wohl umstellen: Wer an ein eigenes Haus denkt, müsse über ausreichend Eigenkapital verfügen und die Ansprüche senken. Üppige Wohnflächen oder großer Garten blieben für Normalverdiener unerschwinglich.
Markus Düppengießer
DER RUNDE TISCH
Der Runde Tisch ist eine Veranstaltung der Kölner Stadt-Anzeiger Medien. Regelmäßig bitten,,Kölner Stadt-Anzeiger" und ,,Kölnische Rundschau" Spitzenvertreter verschiedener Wirtschaftszweige und Institutionen zum informellen Austausch. Die Gesprächsrunden finden zu überregionalen und lokalen Themen statt.
DIE TEILNEHMER DES RUNDEN TISCHES
„Wir haben eine Situation, die durch sehr viele Faktoren eine sehr besondere ist."
Tim Bartsch
Marktgebietsleiter
Privatkunden Köln-West,
Deutsche Bank
„Inhalte aus dem Wirtschaftsund Finanzbereich sind für Schüler oft Neuland."
Frank Dabringhausen
Stv. Vorstandsvorsitzender,
Volksbank Oberberg eG
,,Dass Bankkunden heute besser informiert sind, ist auch ein Erfolg unserer Beratung."
Hans-Guido Dörrenberg
Generalbevollmächtigter der
Sparkasse KölnBonn
,,Von manchem, das wir gelernt haben, müssen wir uns verabschieden."
Hans-Jürgen Lembicz
Sprecher des Vorstandes
Volksbank Euskirchen eG
„Angebot und Nachfrage auf dem Immobilienmarkt werden sich finden."
Jürgen Neutgens
Mitglied des Vorstandes,
Volksbank Köln Bonn eG
,,Unsere Aktienkunden haben aktuell meist netto keine Verluste zu beklagen."
Hermann-Josef Simonis
Mitglied des Vorstandes,
Sparda-Bank West eG
,,There's no free lunch, nichts ist umsonst."
Kamil Torres
Leiter der Niederlassung Köln,
Braunschweiger Privatbank
,,Ich glaube nicht, dass so viele Anleger zum Sparbuch zurückkehren werden."
Frank Wagner
Regionsleiter Wealth Management
Niederlassung Köln, Commerzbank AG
,,Das Bausparen erlebt derzeit eine Renaissance."
Jutta Weidenfeller
Mitglied des Vorstandes,
Kreissparkasse Köln